Die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Umso besser, dass man in Zeiten von Personalisierung und Targeting unterschiedlichen Adressaten auch unterschiedliche Werbemotive zeigen kann. Aber wie entscheidet man, ob eine Zielgruppe lieber das lebhafte oder das ruhige Bild zu sehen bekommt, ob der Text sie besser subtil umschmeicheln oder autoritär zum Kauf auffordern soll? Früher führte man dazu aufwendige Pretests durch oder horchte einfach auf das Bauchgefühl. Seit Mitte der Zehnerjahre kommt Big Data zu Hilfe: Im Verlauf einer digitalen Kampagne steuern Algorithmen die Motivauswahl je nach Erfolg. Was bei einer bestimmten Zielgruppe gut klickt, wird ihr häufiger gezeigt. Was nicht, fliegt raus aus dem Set der verfügbaren
Werbemittel.
Optimierung der Motivauswahl
Dynamic Creative Optimization (DCO) oder Programmatic Creation nennt man das, und der Hype war anfangs ziemlich groß. Große Marken wie Volkswagen, Tchibo und Zalando experimentierten mit den neuen Möglichkeiten. Den Vogel schoss der britische Konzern Unilever ab, der in Brasilien für seine Deomarke Axe 100 000 Varianten des Werbefilms „Romeo Reboot“ produzierte. Mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt, die neue Flexibilität ist selbstverständlicher Bestandteil der Agenturarbeit. „Die Erwartungen haben sich mehrfach erfüllt, und DCO wird seither auch in jedem Planungsprozess mitgedacht“, sagt etwa Philip Westhoff, Head of Technical Ad Operations bei der Mediaagentur Pilot. „Die Optimierung der Motivauswahl ,on the fly‘ im Sinne des multivariaten Testings ist ein wertvolles Werkzeug, um Nutzer in der jeweiligen Mikrozielgruppe mit der für den jeweiligen Zeitpunkt richtigen Botschaft anzusprechen.“
Automatische Auswahl der Anzeigen
Aber die Mediaagenturen müssen sich nicht unbedingt selbst um alle DCO-Aspekte kümmern. Google und die großen Social-Media-Plattformen haben längst Automatismen eingeführt, die die Auswahl der am besten funktionierenden Anzeigenvarianten steuern – damit wollen sie sowohl die Performance steigern als auch die Einstiegshürden für Werbungtreibende senken, die nicht mit großen Mediaagenturen zusammenarbeiten. „Vor allem auf den Meta-Plattformen funktioniert das sehr gut“, sagt Markus Windisch, General Manager der Agentur Plan.Net Neo in München.
Zwar bildet sich bei den Media-Verantwortlichen mit der Zeit ein gutes Gefühl dafür heraus, was bei wem funktioniert und was nicht. Allerdings berichtet Windisch, dass ihn der Erfolg einzelner Werbemotive regelmäßig überrascht: „Dies gilt auch für Zielgruppen, die durch den Algorithmus optimiert werden können.“ Daher empfiehlt er, auch einmal offene Targetings zu testen, um so dem Algorithmus noch mehr Möglichkeiten der Optimierung zu bieten.
Bei der Erstellung und Perfektionierung von Motiven auf den sozialen Plattformen bieten auch Dienstleister ihre Hilfe an, die dort technisch integriert sind und die Performance von Millionen von Kampagnen auswerten. Auf Basis dieser Daten können sie nicht nur den Erfolg bestimmter Kreationen prognostizieren, sondern auch gleich selbst Ideen einbringen und umsetzen. Allein TikTok listet zurzeit 78 „Marketing-Partner“ im Bereich Creative auf.
Dazu gehört unter anderem das amerikanische Unternehmen VidMob, das sich als „The World’s Leading Platform for Intelligent Creative“ positioniert und für Kunden wie L’Oréal, Johnson & Johnson und Anheuser-Busch arbeitet. VidMob bietet Tools an, die die Kreationen datengestützt und bei Bedarf mithilfe eines weltweiten Netzwerks von Kreativen optimieren. Der Einsatz solcher Werkzeuge will aber gut kalkuliert sein: „Die zusätzlichen Kosten werden meist nicht durch eine entsprechend höhere Performance gerechtfertigt“, sagt Plan.Net-Neo-Chef Windisch. „Daher verlassen wir uns lieber auf die eigene Erfahrung.“
Vielfältige Ideen auf Knopfdruck
Die Optimierung von Werbung ist allerdings nur ein Einsatzgebiet für Künstliche Intelligenz – auch bei der Kreation mischten KI und Machine Learning bereits mit, bevor die breite Öffentlichkeit kürzlich überhaupt Bekanntschaft mit dem inzwischen populären KI-Chatbot ChatGPT gemacht hat. „KI kann uns die Skalierung und Fließbandarbeit bei Kommunikations-Assets abnehmen, also vor allem die Anpassung auf verschiedene Varianten, Formate oder Kanäle“, erklärt Jens-Christian Jensen, Chief Strategy Officer der Digitalagentur Digitas Pixelpark und Mitglied im Vorsitz des Ressorts Künstliche Intelligenz beim Bundesverband digitale Wirtschaft.
Aber es ist noch mehr möglich. Um ganz am Anfang eine optische Inspiration zu bekommen, arbeitet Digitas Pixelpark unter anderem mit den Softwarelösungen DALL-E oder Nvidias GauGAN. Gibt man ein paar inhaltliche Stichwörter ein, schlagen sie binnen Sekunden Bilder in vielen Varianten vor – darunter kann eine überzeugende Idee sein. Zwar lasse sich ein solches Foto nicht einfach verwenden, weil wichtige Rahmenbedingungen wie Bildrechte ungeklärt seien. „Wir können dem Kunden unsere Idee aber anhand eines generierten Fotos vermitteln – am Ende bedeutet das eine Zeitersparnis“, so Jensen.
Die Suche nach geeigneten Models lässt sich ebenfalls abkürzen: Produktionsstudios wie Rosebud.ai und Synthesia stellen lebensecht wirkende Avatare zur Verfügung, die haargenau den Vorstellungen der Kreativen entsprechen. Und bei der Erstellung von Texten und Videos versprechen eine Reihe vor allem amerikanischer Start-ups Unterstützung. Sprachspezialisten wie Persado, Copy.ai, Jasper, Pencil oder Phrasee liefern Textentwürfe und optimieren sie für bestimmte Zielgruppen. Videoversteher wie Lumen3 und Designs.ai produzieren Bewegtbildcontent ganz nach Wunsch der Kunden.
Jobverlust durch KI-Einsatz
Die fortschreitende Automatisierung der Produktion bedeute neben der Effizienzsteigerung aller Voraussicht nach aber auch den Verlust von Jobs, warnt Jensen: „Logischerweise werden künftig Arbeitsschritte entfallen, die zuvor Menschen übernommen haben.“ Eine Entwicklung, die aktuellen Studien zufolge längst nicht nur die Kreativbranche betrifft. So prognostiziert die Investmentbank Goldman Sachs als Folge der Weiterentwicklung von KI-Systemen wie ChatGPT über alle Branchen hinweg den Verlust von 300 Millionen Jobs weltweit.
Also lieber die Finger von der neuen Technik lassen? Jensen hält das für keinen guten Weg. Es gelte im Gegenteil, sich möglichst früh intensiv mit den neuen Möglichkeiten zu befassen. „Wenn wir die Disruption nicht treiben, werden wir ihr am Ende zum Opfer fallen“, sagt der CSO.
Gänzlich überflüssig werden kreative Köpfe trotz allen technischen Fortschritts immerhin auch in Zukunft nicht sein, glaubt er. Denn Künstliche Intelligenz könne sich immer nur auf bereits vorhandene Daten als Basis für ihre Entwürfe stützen. Der KI Experte ist sicher: „Dieser magische Moment, in dem etwas wirklich Neues entsteht – der wird immer dem Menschen vorbehalten bleiben.“
Author: Victoria Garcia
Last Updated: 1703671203
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